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Gedanken im Gedenken
Gudrun , Marl, Dienstag, 23. Juni 2009, 13:42
Es ist so schwer zu verstehen, wenn sie gehen oder gegangen sind. Sie,
die uns mitunter jahrelang begleitet haben, gehen immer zu früh. Auch
wenn es manchmal gut ist, dass sie gehen dürfen, ihnen Schmerz erspart
bleibt, oder ihnen gar ein langer Leidensweg bevorstehen würde. Sie
fehlen uns so sehr, dass es weh tut und man meint, dieser Schmerz würde
nie vergehen. Aber irgendwann wird dieser Schmerz sanfter, ruhiger, er
zerreist nicht mehr. Alle Selbstvorwürfe, Ängste, etwas falsch gemacht
zu haben, sind zur Erkenntnis geworden, dass der Weg unserer Lieben
leider zu Ende war und man ihnen auch mit aller Liebe nicht hat helfen
können. Nein, es gibt nur diesen einen Weg und dieser Weg ist endlich.
Aber wir sind es, die diesen Weg mit ihnen über eine lange Zeit gehen
dürfen. Wobei das Wort "lange“ immer relativ ist.
Wir putzen hinter ihnen her, wenn sie krank oder einfach nur unsauber
sind. Wir ärgern uns, wenn sie unsauber sind, weil ihnen irgendetwas
nicht passt und versuchen dennoch, sie zu verstehen und ihnen zu helfen.
Sobald es ihnen nicht gut geht, gehen wir mit ihnen zum Arzt. Wir leiden
mit, wir leiden mehr, als bei uns selbst. Jedes veränderte/ungewohnte
Verhalten macht uns Sorge. Wir verzeihen ihnen ein Stückweit, dass sie
Raubtiere sind. Sie sind mitunter zickig, eifersüchtig wie Liebhaber,
unsozial ihren Artgenossen gegenüber. Wir geben ihnen viel Zeit, sie
kosten viel Geld. Und das alles nur, weil vier Pfoten und ein bisschen
Fell voller Vertrauen in uns sind. Und wenn wir ehrlich sind, dieses
Vertrauen wollen wir niemals enttäuschen. Ein Bedürfnis, dass in uns
schlummert und nicht ausgesprochen werden muss.
Es fällt ja nicht einmal schwer, diesen ungeschriebenen Vertrag
einzuhalten. Diese vier Pfoten und das bisschen Fell haben Eigenarten,
Besonderheiten, Gewohnheiten und Unarten die uns nicht selten
faszinieren, die uns inkonsequent werden und die uns lieben lassen. Sie
geben uns das Gefühl, gebraucht zu werden – aber auch geliebt zu werden
– und zwar bedingungslos. Nicht selbstlos, nein, sie fordern auch. Aber
es ist ihnen vollkommen egal, welchen Stellenwert wir in der
Gesellschaft haben, wie wir aussehen, was wir sind. Sie spüren nur das,
was wir ihnen geben: die Liebe, die Zeit und auch den Schmerz, den wir
bisweilen in uns tragen. Die Liebe, die Zeit, das Vertrauen – sie nehmen
es mit auf die Reise in das andere Land. In ein Land, das wir uns für
sie wünschen. In ein Land, das uns glauben lässt, dass sie dort gesund
und voller Energie leben. Getragen von eben dieser Liebe, die sie von
uns mitgenommen haben und die sie weitergeben können, an alle anderen
Wesen,die keine Geborgenheit, kein Verständnis, keine Rücksichtnahme
haben kennen lernen dürfen.
Aber wenn sie gehen, dann zeigt ihnen das von der Natur gegebene
Feeling, dass ihr Weg zu Ende ist. Das Unabänderliche hat sie erfasst
und sie spüren es. Sie spüren genau das, was wir erst einmal nicht
fassen wollen. Keiner unserer Lieben würde jemals das Gefühl haben, im
Stich gelassen worden zu sein. Sie vertrauen uns bis zum letzten Atemzug
und das zu Recht. Denn keiner von uns würde in der letzten Minute
aufgeben, kneifen oder gar unversucht bis zum Schluss kämpfen, soweit es
noch möglich und sinnvoll ist. Und doch werden wir immer wieder
zweifeln, ob wir richtig gehandelt, richtig behandelt und richtig
entschieden haben. Keiner kennt unsere Lieblinge so wie wir – und doch
zweifeln wir an unseren Entscheidungen, sind wütend, sind traurig und
letztendlich einfach resigniert. Unser sonst so gut funktionierender
Verstand reagiert nicht wirklich rational und er braucht die Trauer und
auch die Wut, damit die Verzweiflung und Hilflosigkeit ein Ventil haben.
Wenn wir auf die Beziehung zu ihnen zurück blicken, erfahren wir auch
tiefe Dankbarkeit. Der tiefste Dank heißt wohl einfach: Ich bin so
dankbar, dass du in meinem Leben warst. Du hast mein Leben reicher,
schöner und erfüllter gemacht. Wir erkennen, was wir füreinander waren,
was wir uns geben konnten. Ich denke, das ist so viel und genau das wird
uns endlos begleiten.
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